Mit dem letzten geschriebenen Wort ist ein Buch noch lange nicht fertig. Inzwischen waren wir sicher, wir würden das Buch selbst veröffentlichen. Unsere Männer, die es gelesen hatten, meinten unisono: Das nimmt euch jeder Verlag ab! Das mochte sein. Wir wollten das nicht mehr. Das Buch drängte an das Licht der Welt, es wollte nicht warten, bis in einem Verlagsprogramm Platz ist und der Inhalt möglicherweise auf weitere Lesergruppen ausgeweitet werden müsste, damit es sich besser verkaufen lässt. Nein, das Buch wollte ein Buch über den Rollenwechsel zwischen zwei Frauengenerationen werden, der in der Stunde des Todes plötzlich noch einmal eine Rolle spielt.
Die Endphase der Erstellung brachte uns alle noch einmal an unsere Grenzen, psychisch, physisch und mental. Obwohl wir in unserer Anthologiegruppe auf viel Know-how zurückgreifen konnten: Eine von uns hatte Deutsch unterrichtet und lektorierte unsere Texte. Sie wies uns auf Feinheiten hin, wie beispielsweise, dass auf eine Frage mit „wo“ immer eine Bestimmung des Ortes als Antwort kommen muss oder dass bei einem Vergleich, bei dem das Prädikat nicht wiederholt wird, kein Komma gesetzt wird. Von diesem Wissen haben wir alle profitiert. Ich kenne mich mit den Regeln für den Buchsatz recht gut aus und machte das Layout. Andere hatten Kontakte zu Journalisten, zur Hospizbewegung oder Alteneinrichtungen und spürten schon einmal vor, wie unser Projekt dort ankommen würde und vereinbarten erste Lesungstermine. Was wir noch nicht konnten, brachten wir uns bei: Videos erstellen, bei YouTube hochladen. Wir hatten nicht den Anspruch perfekt zu sein, aber eine gewisse Professionalität war uns allen wichtig.
Als dann in der 13. Druckvorlage immer noch ein fehlender Punkt oder ein falscher Buchstabe entdeckt wurde oder Autorinnen ihre Texte in letzter Sekunde noch umstellen und ergänzen wollten, lagen die Nerven blank. Die Freude am Vorlesen zog uns aus dieser schwierigen Phase wieder heraus.
Bereits von Anfang an führten wir es am Ende von Teambesprechungen ein, dass alle eine längere Stelle aus einem ihrer Texte vorlesen. Jedes Mal lag dann der Zauber unseres Werkes in der Luft. Dieses Erlebnis wollten wir unbedingt mit anderen teilen und vertonte Leseproben erstellen.
Als die Idee ausgesprochen war, stürzten sich alle mit großer Lust in die Arbeit und sprachen einen Text als Tondatei auf. Endlich konnten wir wieder einmal etwas Kreatives tun, anstelle der nüchternen Fummelei an der Druckvorlage! Am Tablet entstand innerhalb weniger Stunden der erste kleine Film über unser Buch und in einer Nachtaktion die Filme mit den vertonten Leseproben der einzelnen Autorinnen. Auch hier haben wir keinen Anspruch an Perfektion. Die Filme wurden mit kostenfreier Standardsoftware am Tablet erstellt und der Ton mit dem Handy aufgenommen. Das hat seine Grenzen – aber auch seinen Charme. Durch diese kreativen Betätigungen war der Anfangsgeist und die große Begeisterung für unser Projekt wieder zum Greifen nah.
Wir sind alle auf gesunde Weise stolz, was wir gemeinsam geschaffen haben. Es ist schon toll, was fünf Frauen zwischen sechzig und siebzig gemeinsam in einem Vierteljahr bewegen können! Und das, obwohl wir uns noch nie persönlich begegnet sind.
Margit Thürauf © 27.08.2023