In der Zwischenzeit ist Annas Mutter aus der Schule nachhause gekommen und wurde über irgendeinen imaginären Kanal von unserem Besuch informiert. Sie steht in der Küche und kocht uns ein Nachmittagsessen und Anna erklärt:
„Das ist bei uns so Sitte. Wir essen Mittag nur etwas Obst oder Gemüse, so um 18 Uhr gibt es dann eine kleine Zwischenmahlzeit, manchmal ein Glas Wein dazu. Das richtige Abendessen ist dann ungefähr um 21 Uhr.“
Frau B. begrüßt uns auch auf das herzlichste. In Acireale können wir nicht in unserem Bus übernachten, da es kaum Stellmöglichkeiten gibt und wir in einem Unterschlupf bei Freunden der Familie unser Auto einstellen. Als nächstes eröffnet uns Annas Mutter:
„Am Wochenende mache ich ein großes Fest mit Freunden und Verwanden damit sie euch kennenlernen in Zafferana.“
Eduard und ich schauen uns an und sind von dieser Gastfreundschaft überrascht. Sie ergänzt auch noch:
„In Zafferana ist es nicht so heiß, denn dieser Ort liegt auf 574 m über den Meeresspiegel. Da müssen wir nicht so schwitzen.“
Am Samstag verstauen wir alle möglichen Utensilien in die Autos und auch wir fahren mit dem Bus nach Zafferana, denn in der Wohnung können wir nicht alle übernachten und da „dürfen“ wir wieder einmal in unserem Bus schlafen. Das Essen ist wirklich köstlich, nur viel zu viel und die nächste Tante lädt uns für Sonntag ein und will Spaghetti mit Sepia zubereiten und diese müssen wir unbedingt probieren. Eduard und ich wollen uns aus dieser Situation herauswinden, aber ohne Pardon sind wir verabredet, ob wir wollen oder nicht. Somit macht mein Ehemann eine Ankündigung und erklärt, dass wir am Montag weiter fahren um uns das schöne Land Sizilien noch weiter anzuschauen.
Der Protest ist sehr groß und wir versprechen auf dem Rückweg noch einmal vorbei zu kommen. Plötzlich tut es einen Schlag. Ich erschrecke so, dass mir die Gabel aus der Hand fällt. Die älteren Verwandten von Anna bekreuzigen sich und erklären uns:
„Heute hat er wieder schlechte Laune, er ist in letzter Zeit ziemlich unruhig und ab und zu sieht man kleinere Eruptionen.“
Nur langsam begreife ich, dass sie vom Ätna sprechen wie von einer Person. Ich kann mir vorstellen, dass das Leben mit diesem Vulkan schon eine Besonderheit ist und, dass ich nicht auf Dauer dieser Bedrohung ausgesetzt sein wollte. Wir brechen langsam zu unserem Bus auf. Mir ist es nicht ganz geheuer , nahe am Ätna zu schlafen. Anna die mein Unbehagen spürt beruhigt mich:
„Keine Sorge die Lava des Ätnas läuft ganz langsam und wenn er ausbricht wird Zafferana immer verschont.“
Dein Wort in Gottes Ohr, denke ich und mache mich langsam auf den Weg zu unserem VW-Bus. In der Nacht wache ich des Öfteren auf, weil der Berg immer wieder zornige Geräusche von sich gibt.
Am anderen Morgen schauen wir uns das Städtchen an. Es ist hübsch mit seinen engen Gassen und der Aussicht aufs Meer. Obwohl wir ein Stück über dem Meer sind wird es so langsam wieder richtig heiß. Mir fällt ein, dass Anna gestern etwas von 42 – 45 Grad erzählt hat. Also denke ich so bei mir: Ab Morgen gehe ich nur noch mit Hut und Sonnencreme außer „Haus“.
Wir müssen uns sputen, dass wir nicht zu spät zum Essen kommen. Wir ziehen uns schnell in unserem Bus um und machen uns auf den Weg zu Annas Tante. Dort werden wir mit großem Hallo empfangen und das Mittagessen dauert drei Stunden. Ich will nicht wissen, wie lange die Köchin schon auf den Beinen ist um unser Gastmahl vorzubereiten. Langsam wird mir das Eingebundensein und die etwas umgarnende Art der Menschen hier zu viel und ich bin heilfroh, dass Eduard schon verkündet hat, dass wir weiterziehen. Denn eine andere Verwandte von Anna wollte uns für Montag auch einladen, das haben wir dann freundlich ausgeschlagen.
Soviel zu essen bin ich nicht gewohnt und würde am liebsten einen Mittagsschlaf machen. Das geht aber nicht, weil es brennend heiß ist im Bus, es hat 50 Grad und die Sitze sind kochen. Also muss ich noch durchhalten, bis irgendwann heute Nacht ein kühlenden Bergwind kommt.
Anna verspricht uns, dass sie Antonella, Agrippina und Angela verständigt und wenn wir auf dem Rückweg vorbeikommen, dass wir uns in Taormina eine Oper im Amphitheater ansehen werden. Sie besorgt die Karten. Wir verabschieden uns schon am Abend und bedanken uns für diese großzügige Gastfreundschaft, denn wir wollen am nächsten Tag in aller Herrgottsfrüh aufbrechen.
Um fünf Uhr früh fahren wir los, damit wir in der Mittagshitze auch Siesta halten können. Denn in unserem Reiseführer steht, dass die Sehenswürdigkeiten erst wieder ab 16 Uhr zu besichtigen sind. Wir wollen nach Agrigent und Syracus, um uns die griechischen Tempel anzuschauen. Ich habe Goethes Reise nach Italien in meiner Büchertasche dabei und bin sehr gespannt von meinem Eindruck und danach in der Italienischen Reise zu lesen. Ich stelle es mir inspirierend vor.
Ich will fahren damit ich mich an die engen Straßen gewöhne und auch aushalte, dass es ohne Straßenbegrenzung einfach nach unten geht. Um diese Uhrzeit erwarte ich keinen Gegenverkehr. Eduard sucht wie meistens Routen heraus und ist in seine Landkarten vertieft. Ich bin froh, dass er sie studiert, denn ich muss sie immer umdrehen und kann beim Fahren, wenn es ruckelt nicht so gut Karten lesen. Im Grunde bin ich eine eher schlechte Kartenleserin.