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Die Fahrt nach Syracus zu den griechischen Tempeln

Still unseren eigenen Gedanken nachhängend, fahren wir in den Morgen hinein. Bis Eduardas Stimme die Ruhe durchbricht:

„Es gibt eine landschaftlich schönere Strecke. Wir haben Zeit und müssen nicht die Hauptstraßen fahren. Wenn du da an der nächsten Ampel links abbiegst, gelangen wir etwas mehr ins Landesinnere. Da kaufen wir in einem kleinen Dorf für unser Frühstück ein und suchen uns einen hübschen Platz für unser Calzone.“

Ich setzte den Blinker und bei Grün fahre ich beherzt um die Kurve. Da kommt ein Auto von rechts, ich kann gerade noch bremsen. Der Fahrer hupt auch noch! Da werde ich ärgerlich, denn der muss bei Rot über die Ampel gefahren sein, das geht nach meinem Verständnis gar nicht! Meine Hand fährt an meine Stirn, ich drehe das Fenster hinunter und will gerade schimpfen – da fällt mir ein: Was mache ich da? Hat mich die Hitze aggressiv werden lassen oder ist es das italienische Temperament, das auf mich abfärbt? Ich lasse ihn passieren und beruhige mich wieder.

Die Landschaft ist Labsal, die Trauben leuchten dunkellila im morgendlichen Sonnenlicht, nach manchen Kurven, fällt mein Blick auf den Ätna mit seiner Rauchwolke und immer wieder blitzt das Meer durch. Ich fahre weiter bergauf. Da tauchen vor mir mehrere Autos am Straßenrand auf und ein Mann steht in der Mitte der Straße und winkt mit einer Kelle, dass ich anzuhalten soll. Es scheint ein Polizist zu sein. Ich halte und öffne das Fenster.

„Policia, controllo Passoporto e patente de quida.“

Ich gebe ihn meinen Pass und Führerschein er will auch noch das „documento di registrazione del veicolo“. Ich reiche ihm auch noch den Kfz-Schein. Er verschwindet in eines der Autos, die dastehen.

Wir warten und warten. Es sind schon mindestens zehn Minuten vergangen. Eduard kommt von hinten und sagt:

„Lass mich ans Steuer, wer weiß, was das für Leute sind. Ich kann schneller losfahren als du. Was machen wir, wenn er die Papiere nicht mehr bringt?“, fragt er mich.

„Das weiß ich auch nicht. Aber warum sollte er uns die Dokumente nicht mehr geben, er kann doch damit nichts anfangen“, war meine Antwort.

„Hast du eine Ahnung, was die auf dem Schwarzmarkt wert sind“, antwortet Eduard.

Inzwischen warten wir seit zwanzig Minuten. Langsam wird auch mir etwas flau im Magen – und das ganz ohne Frühstück. Aus dem Augenwinkel sehe ich, dass Eduard auf das Lenkrad trommelt:

„So jetzt reicht es mir! Ich gehe da jetzt mal vor und frage, warum das so lange dauert.“

Er hat den Türgriff schon in der Hand und will aussteigen. Da kommt Bewegung in das Auto vor uns. Die Türe öffnet sich und der Polizist von vorhin läuft auf uns zu. Er reicht Eduard die Papiere und sagt so ganz nebenbei im reinsten Deutsch:

„Sie sind sehr mutig, Herr Wagner, mit so einem alten VW-Bus die weite Reise von Deutschland nach Sizilien anzutreten.“

Eduard findet zuerst seine Sprache wieder und fragt den Polizisten:

„Woher können Sie so gut deutsch?“

Er lacht: „Ich bin in Hessen aufgewachsen und in die Schule gegangen. Nach der Mittleren Reife hat es mich wieder nach Sizilien gezogen, die Wärme und Nähe zum Meer. Außerdem wollte ich mein Land unterstützen und so bin ich Polizist geworden und kämpfe im Kleinen gegen die Mafia. Wir machen gerade überall Kontrollen, da wir erfahren haben, dass ein Anschlag in Planung ist. Wo und was wissen wir nicht und da sind wir besonders wachsam. Gerade so ein alter VW-Bus ist da verdächtig. Nichts für ungut! Eine schöne Weiterreise wünsche ich Ihnen.“

Ich bin froh, dass ich jetzt nicht fahren muss. Wir sind noch immer ein wenig erregt von dem eben Erlebten und unterhalten uns über die Mafia und ihr Unwesen. Eduard gesteht mir, dass er die Sorge hatte, dass wir Wegelagerern in die Hände gefallen sind. Mein Magen knurrt vor lauter Aufregung und ich verspüre einen bis dahin nicht gekannten Hunger.

„Bitte halte im nächsten Dorf an einem Lebensmittelladen, ich brauche dringend etwas zu Essen, um meine Nerven zu beruhigen“, sage ich

 „Das ist sicher das Ergebnis von deinen Essorgien, in denen du in letzten Tagen geschwelgt hast“, spöttelt er.

„Jetzt tue nicht so, als ob du gefastet hättest“, antworte ich.

„Nein das nicht, aber ich habe mich vornehm zurückgehalten und dir zugeschaut, wie du aus dem Vollen geschöpft hast.“

„Also jetzt reicht es mir, mit deiner Belustigung auf meine Kosten! Und vergiss nicht, dass ich Hunger habe“, antworte ich ihm etwas eingeschnappt.

Er lacht nur und fährt weiter und hält tatsächlich im nächsten Dorf vor einem Geschäft. Ich steige aus und gehe hinein. Eine nette Bedienung fragt mich auf Italienisch nach meinen Wünschen. Ich bestelle:

„Uneto di Procsiuto.“

„Ah, Sie kommen aus Deutschland. Da habe ich fünfzehn Jahre gelebt.“

„Ihr Deutsch ist hervorragend“, antworte ich ihr

Sie lächelt: „Manchmal, wenn es hier zu heiß wird, sehne ich mich zurück nach Deutschland, nach dem Grün, den Seen und Bächen. Bei uns ist, wie Sie sicher gesehen haben, alles verdorrt und braun. Es hat schon über einen Monat nicht mehr geregnet. Was kann ich Ihnen noch geben, außer Schinken?“

„Bitte noch eine dicke Scheibe Pecorino, 100 g Salami, ein Brot, 3 Tomaten und eine Gurke.“

Als ich bezahlt und meine Einkäufe in meiner Tasche verstaut habe sagt die Seniora: „Noch einen schönen Aufenthalt in unserem Land.“

Ich bedanke mich und verabschiede mich.

Eduard fragt mich: „Was hat, denn so lange gedauert?“

„Eine Deutsch sprechende Sizilianerin.“

Er sieht mich an und schmunzelt und fährt weiter.

Auf Eduard ist Verlass! Er findet einen Platz mit Meerblick. Ich fange an, den Tisch zu decken, er setzt Wasser auf für den Kaffee und als er ihn aufbrüht und der Duft durch den Bus zieht, setzte ich mich mit Blick auf das Meer an den Tisch und genieße die Schönheit des Tages.