Du betrachtest gerade Mia, Luisa und der Zisch-mit-Zack-Ballon

Mia, Luisa und der Zisch-mit-Zack-Ballon

Gurkenpups und Gartenzwerggetrappel

Am allerersten Ferientag sitzt Mia im Nachthemd am Fenster, kaut gedankenverloren auf einer Gurkenscheibe herum – da macht es plötzlich: Pffffft-schtsssssssss!
Das Zischen kommt von irgendwo hinter den Bäumen – dort, wo der Wald anfängt und die Gartenzwerge nachts angeblich mit Gummistiefeln tanzen.
Mia spitzt die Ohren. „War das ein Drache mit Blähungen?“, murmelt sie.
Gleichzeitig – ein paar Straßen weiter – hört Luisa exakt dasselbe Geräusch. „Klingt wie der Wasserkocher bei Oma und Opa, wenn er wieder Kalkpupse lässt!“, denkt sie.
Beide springen los. Irgendetwas ist im Busch. Oder im Baum. Oder ganz woanders.

Zebragalopp und Wurst-Verschwörung

Luisa zupft ihr Frottee-Zebra vom Wäscheständer, klemmt Susi – eine plüschige Wasserhopserin, die sie aus einer ›Zu-verschenken‹-Kiste geangelt hat – unter den Arm und düst los wie Fräulein Wirbelwind. Mit Affenzahn vorbei am Kletterbaum, mit sieben Riesenschritten über die wackelige Holzbrücke. Zwei Vierpfotentiere mit Mischpelz, die sich zwischen Brombeersträuchern verheddert haben, veranstalten ein Gebell, als witterten sie eine Gelbwurst-Verschwörung. Luisa stolpert fast über eine der 77 knorrigen Wurzeln in der sagenumwobenen Indianerschlucht.
Mia wirbelt inzwischen auf ihrem knallbunten Fahrrad durch den Wald – ihre Haare flattern wie Spaghetti auf der Flucht.
Zielsicher steuern beide denselben Ort an: den Fußballplatz bei der Indianerschlucht.

Zischballon und Vanillewolke

Und da steht er. Oder schwebt er? Ein riesiger, bunter Ballon, dick wie ein Elefantenbauch nach dem All-you-can-eat-Bananenbuffet.
Er zischt: Pffffft-schtsssssssss! Laut und fordernd.
Mia eilt mutig zum Korb. „Willst du, dass wir einsteigen?“ Der Ballon schnauft zustimmend.
Luisa streichelt den Korbrand. Ihr Zebra macht vor Freude einen Salto und landet mitten im Korb auf seinem breiten Frottee-Popo.
„Ist das echt oder sind wir in einem Wald-Gedanken gelandet, der sich verirrt hat?“, denkt Luisa.
Da taucht zwischen den Bäumen ein alter Mann auf. Schäbiger Mantel, Schirmmütze, zerbeulter Tornister. Luisa wundert sich. Herr Grandig! Der Gedankensammler, aus ihrem Buch.
Er hebt eine Braue. „Ein ganz besonderer Gedanke ist verschwunden“, sagt er: „Zappelig. Glitzerstreifen. Wichtig. Findet ihn, bevor er sich im Weltall verirrt“, sagt er mittellaut zu Luisa.
„Wir steigen ein!“, ruft Luisa. „Besser als hundert Runden Kettenkarussell mit Slush-Eis im Bauch und Zuckerwatte im Haar!“
Der Ballon hebt ab. Gemütlich wie ein schnarchender Panda. Das Feuer zischt in seinen bunten Schlund.
„Schau mal, Mia, dein Fahrrad ist jetzt winzig wie eine Zuckerperle!“
„Luisa, wohin fliegen wir?“
„Keine Ahnung. Aber der Wind riecht nach … Ostsee!“
Mia spitzt die Ohren. „Der Himmel schnarcht!“, ruft sie in die Luft.
Die Wolke, in der sie stecken, blubbert verschlafen: „Chrrrr … Vanilllllaaahhh.“
Luisa flüstert: „Das kann nur Frau Holle sein – die hält ihren Sommerschlaf und träumt von einem Eisbecher mit 13 Kugeln und 99 Zuckerperlen.“
Plötzlich – wusch!
Ein Teppich saust haarscharf am Ballon vorbei und zieht eine Luftachterbahn.
„Das ist ein Picknickexpress ans Ende der Welt!“, lacht ihm Luisa hinterher.
Mia schätzt: 147 km/h. „Mit genauso viel Schmackes fährt meine Mama auf der Autobahn – wenn keiner guckt.“
Auf dem Teppich: Aladdin mit flatternder Pluderhose, und neben ihm Prinzessin Badroulbadour mit safrangelbem Schleier.
Sie winken kurz – und wusch! – sind sie verschwunden.
Nur ein Hauch Zimt und Minze bleibt in der Luft.

Gedankensammler und Pusteblumengedanken

Sie schweben über ein Dorf. Luisa beugt sich weit über den Rand des Ballonkorbs. Sie traut ihren Augen kaum. Der Gedankensammler läuft durch eine Gasse. „Da unten – siehst du den Mann mit der Mütze? Das ist Herr Grandig!“, flüstert Luisa in Mias Ohr.
„Wer? Der Name klingt aber nicht nach Spaß“, sagt Mia.
„Er sammelt die Gedanken der Menschen und taucht auch dann auf, wenn Gedanken Hilfe brauchen“, erklärt Luisa. „Fröhliche, traurige, kluge, dumme, laute, stille, lange, kurze – alle, die ihm wichtig sind – und sortiert sie in sein Gedankenregal. Danach lässt er sie wieder frei.“ Ein winziger Gedanke schwebt heran. Leuchtet. Zappelt. Glitzert – und landet auf Mias zerzausten Haaren. Vorsichtig. Wie ein scheues Tier.
Luisa flüstert: „Das ist er! Der verlorene Gedanke!“
Mia hält still. „Ich spür ihn. Er will bleiben.“
„Weil du fröhlich bist“, sagt Luisa. „Und weil du an ihn glaubst.“
Vorsichtig zuppelt Mia an einer abstehenden Haarsträhne – der Gedanke fliegt davon. Wie ein Samenkorn am Schirmchen einer Pusteblume.
„Ohne Herrn Grandig“, sagt Luisa, „würden sich alle Gedanken im Kopf verknoten. Und keiner wüsste mehr, warum er seinen Schuh im Brotkasten gesucht hat oder seinem Freund beim Fußballspiel ein Bein gestellt hat.“
Mia schweigt. Dann sagt sie: „Ich glaube, ich hatte gerade einen neuen Gedanken.“
„Wirklich?“
„Ja. Ich glaub, ich hab mich noch nie so leicht gefühlt.“

Schillerblasen und Rollschuh-Schafe

Plötzlich – plopp, plopp, plopp! – kommen ihnen Seifenblasen entgegen.
Riesige, schillernde Dinger! Und in jeder Blase kugelt sich ein heidelbeerblaues Schaf auf Rollschuhen. „Das gibt’s doch gar nicht!“, quietscht Mia.
„Scheinbar doch“, lacht Luisa. „Die machen wahrscheinlich einen Pirouetten-Wettbewerb – wer gewinnt, wird nicht geschoren!“
Der Ballon gleitet mitten hindurch – keine einzige Blase platzt, kein Schaf fällt vom Himmel.
Da kreischt ein Adler aus der Ferne unaufgefordert den Wetterbericht: „Sturmböen mit einer Prise Berliner Weiße!“ seien am Nachmittag zu erwarten.
„Papperlapapp – Wetter-Apps liegen meist daneben“, steht für Mia fest wie ’ne Lakritzstange im Puderzucker.

Kugelbauch und Plaudertaschen

„Miaaaa, guck mal!“, ruft Luisa. „Die Kugel glitzert wie Papas Discokugel in der Garage! Und da sitzen Leute drin! Die essen Cremetorte mit Sahnehauben!“
„Im Ernst?“, Mia blinzelt und denkt nach. „Das ist doch der Berliner Fernsehturm, oder?“
Luisa nickt heftig. „Der ist hoch wie ’ne Giraffe mit Absatzschuhen!“
Mia lacht verschmitzt. „Und wenn die Leute wieder unten sind, erzählen sie bestimmt allen, dass der Turm gewackelt hat, weil Torte, Eiskugeln, Currywurst und Schrippen ihre Bäuche schwer gemacht haben.“
„Yippieh!“, kichert Luisa. „Und dass man von zu viel Sahne eine piepsige Helium-Stimme kriegt und wie ’ne Berliner Schnauze rückwärts quatscht.“
Mia mimt mit verstellter Stimme: „Na super, jetzt bin ick uffjepumpt wie ’ne Bockwurst!“
Dann verdreht sie die Augen, wedelt wild mit den Händen und murmelt:
„Bockwurst ’ne wie uffjepumpt ick bin jetzt super Na.“
Luisa prustet, als hätte sie 17 grüne Lachgummis verschluckt. „Das war ja Rückwärts-Quatsch mit Soße!“

Traumgurken und Gedankenkompott

Der Ballon schwebt weiter.
Mal hoch, mal runter, im Zickzack durch die Luft – über ein Feld mit stacheligen Gurken, die in der Sonne dösen und ananasreife Fernwegedanken in die Ferienluft schicken. Am Feldrand jongliert eine Vogelscheuche mit goldenen Flipflops.

Delfinsalto und Quasselstrippe

Dann plötzlich – MEER!
Die Ostsee: glitzernd, weit und windig.
Ein silberner Bogen schießt aus dem Wasser – ein Delfin mit Glitzerflosse, Mini-Schwimmbrille – und dreht einen doppelten Rückwärts-Korkenzieher!
„Das ist Delli, der Sprungprofi!“, ruft ein Kind am Strand.
„Delli ist eine Quasselstrippe, haben Forscher erforscht!“, ruft ein Mädchen.
Luisa hält ihre Plüschdelfin-Dame Susi hoch.
„Guck mal – dein Cousin!“

Tschüssikowski und Nelkenduft

Die Sonne geht unter wie ein Butterkeks in Orangenlimonade.
Der Ballon fährt leise im Zickzack durch die Nacht zurück in Richtung Süden.
Dann: Bodenklatsch! Bumms! Landung!
Mit einem eleganten Quietscher macht das Frotteezebra eine Bauchlandung auf dem Fußballplatz – und Susi fliegt ihm wie eine durchgedrehte Zirkusakrobatin quer über die Hinterbeine und dotzt mit der Nase in eine Bumbaumel.
Luisa und Mia landen sanft neben dem knallbunten Fahrrad.
Der Ballon zischt ein letztes Mal – „Tschüssikowski!“ – und verschwindet hinter den Bäumen.
Die beiden schauen sich an. Die Haare wild, die Augen leuchtend.
Mia flüstert: „War das echt?“
Luisa nickt. „Und wie.“
In dem Moment – ganz oben am Himmel – blitzt ein Lichtpunkt auf.
Er zappelt. Er glitzert. Er flackert: einmal links, einmal rechts.
Dann malt er eine winzige Spirale – wie ein Tanz – und verschwindet in der Nacht.
Mia reckt den Kopf. „War das … der Gedanke?“
„Ich glaube, er ist jetzt da, wo er hingehört.“
Mia überlegt. „Weißt du, was das Beste war?“
„Was?“
„Dass wir uns einfach getraut haben. Einfach abgehoben sind.“
Beide lächeln – im Modus Wolkenweich, mit Abenteuerlust und Bauchkribbeln.

Während irgendwo ein Delfin niest und ein heidelbeerblaues Schaf einen Luftsprung macht, wissen die beiden: Vor ihnen liegen noch jede Menge Ferientage –
voller ulkiger Begegnungen, fliegender Überraschungen
und Gedanken, die glitzern wie Geheimnisse.