Du betrachtest gerade Palermo, die grüne Stadt

Palermo, die grüne Stadt

Palermo, die grüne Stadt

Zwar wollen wir uns noch einmal mit Anna treffen und Taormina besuchen, aber das müssen wir absagen, denn wir merken, dass die Zeit knapp wird und unsere Ferien zu Ende gehen. Eduard macht einen Vorschlag:

„Wenn wir mit der Fähre von Palermo nach Genua heimreisen, können wir noch ein paar Tage länger bleiben, dann ist der Rückweg nicht ganz so lange und wir schauen uns in Ruhe Palermo an.“

Damit bin ich einverstanden. Auf dem Weg nach Palermo besuchen wir noch Agrippina, die mit ihrer Familie in Mineo lebt. Wir werden von ihrer Mutter fürstlich bekocht. Sie schickt mich in den Garten, um für sie eine Zitrone zu holen. Es ist für mich ein besonderes Gefühl, eine Zitrone vom Baum zu pflücken, als sei es das selbstverständlichste von der Welt. Ja im Land, wo die Zitronen blühen, ist das nichts Besonderes. 

Agrippina lädt Eduard und mich für nächstes Jahr im Juli zu ihrer Hochzeit ein. Voller Freude sagen wir zu. Das ist eine gute Gelegenheit Sizilien erneut zu besuchen. 

Mit Zitronen und Orangen ausgestattet werden wir sehr herzlich verabschiedet und fahren zu unserem letzten Ziel: Palermo. Die Familie von Agrippina instruiert uns noch, dass wir in Palermo sehr auf uns aufzupassen, denn das sei eine Hochburg der Diebe und am besten sollen wir ohne Tasche oder Rucksack die Stadt besuchen. 

Eduard, der sonst nicht ängstlich ist oder auf solche Ratschläge etwas gibt, ordnet ganz autoritär an:

„Wir fahren in Palermo auf einen Campingplatz und campieren nicht wild in der Stadt.“

Nach 17 Uhr kommen wir auf dem Platz an. Das Verstörende für mich ist, dass zwei Männer mit Gewehren das Areal bewachen und Patrouille laufen. Als wir uns zum Abendessen hinsetzen, kommen zwei junge Männer aus Deutschland zu uns an den Tisch und erzählen uns, dass sie ausgeraubt wurden und alles verloren haben: ihren Pass und ihr ganzes Geld. Wir laden sie zum Abendessen ein und sie sind sehr froh. Von der deutschen Botschaft in Palermo haben sie einhundert Mark bekommen, um nach Hause fahren zu können und ein Notausweis wurde auch noch ausgestellt, dass sie über die Grenze kommen. Ich bin sehr froh, dass Eduard entschieden hat, nicht wild zu campen. 

Am nächsten Morgen machen wir uns ohne Tasche auf den Weg. Eduard krempelt die Ärmel seines Hemdes hoch und steckt sich die Lire, die er mitnehmen will, in den Hemdaufschlag. Ich habe eine Tasche in meinem Kleid und stopfe mir auch ein paar Lire hinein. Wir fahren mit dem Bus in die Stadt und plötzlich tut es einen Schlag, dass ich nur so zusammenfahre. Die Italiener um uns herum werfen ihren Oberkörper auf die Kniee und geben schützend ihre Hände über den Kopf. Erstaunt schaue ich mich um. Ein Italiener kommt auf uns zu und sagt – natürlich wieder in gutem Deutsch:

„Die Mafia tut uns kleinen Leuten nichts. Es besteht aber die Möglichkeit, dass wir zwischen ihre Fronten geraten und das kostet immer wieder normalen Menschen das Leben.“

Er erzählt weiter, dass er in Wolfsburg bei VW gearbeitet hat und seine Frau Heimweh nach ihrer Familie hatte, und so sind sie vor fünf Jahren wieder zurück gekommen. Ihre Kinder sind in Deutschland geblieben, was er gut versteht, ihn aber auch traurig macht, dass sie so weit von ihnen entfernt sind.

Im Stadtkern steigen wir aus und ich bin sehr überrascht vom Anblick der vielen Gärten mit exotischen Blumen, den maurischen Häusern, die sehr orientalisch wirken. Es gibt überall Brunnen und Parks. Palermo ist eine grüne Stadt. Wir schauen uns die Kathedrale an, in der Friedrich der zweite, der Staufer, begraben liegt, fahren mit dem Bus in die Kathedrale von Monreale, die mit Mosaiken versehen ist, und die ganze Kirche mit ihren goldenen Bildern zum Leuchten bringen. Beeindruckt von der byzantinischen Kunst setze ich mich in eine Bank und genieße in der Stille den Anblick. 

Beide sind wir müde von den vielen Eindrücken und sind auch Kilometer um Kilometer gelaufen und beschließen zurück zum Campingplatz zu fahren. Dort ruhen wir uns bei einem köstlichen Glas Rotwein aus und Eduard hat auf die Schnelle eine Pasta gezaubert, was mich sehr froh macht, denn ein Mann der kochen kann ist eine wirkliche Bereicherung. Wir gehen bald schlafen, da wir am nächsten Tag schon früh zur Fähre müssen, um ein Ticket für die Rückfahrt nach Genua zu lösen.

Im Hafen von Palermo ist schon am frühen Morgen reger Betrieb und wir finden den Fährhafen nach einiger Zeit des Umherirrens. Ohne größere Probleme bekommen wir eine Fahrkarte und einen Platz auf einer Fähre. Es fahren wenige Autos auf das Schiff. Wir werden in eine komische Box gelotst und plötzlich geht eine Türe zu und die Box fährt los. ich gerate in Panik, mein Puls geht hoch, mein Herz schlägt ganz schnell, ich weiß nicht, wie mir geschieht. Eduard beruhigt mich:

„Das ist ein Aufzug und wir werden wahrscheinlich auf eine andere Ebene gefahren.“

Als sich die Türe wieder öffnet, bin ich beruhigt und sehe, dass wir auf das Oberdeck gehievt wurden. Erst finde ich es blöd, aber als ich verstehe, dass wir in unserem Bus schlafen und uns aufhalten können, bin ich sehr zufrieden mit diesem Umstand. Unser Frühstück bereiten wir uns selbst zu. Zum Mittagessen gehen wir in den Speisesaal, es gibt einfache sizilianische Kost wie Nudeln mit Blumenkohl und eine Soße dazu. Die Passage dauert zwei Tage, wenn wir nicht im Bus hätten bleiben dürfen und kein Lesematerial dabeigehabt hätten, wäre die Überfahrt sehr langweilig geworden. Um uns ist nichts als Meer. Eine Durchsage des Kapitäns, dass wir gerade an Albanien vorbei fahren, lässt uns aus unserem Auto aussteigen und wir versuchten etwas von dem Land zu erspähen – was uns kaum gelingt. Noch einen ganzen Tag und eine Nacht auf der Fähre, lässt mich ruhig werden. Das gleichmäßige Dröhnen des Motors ist einschläfernd und da wir weit genug davon entfernt sind, nicht laut. 

Ich schaue auf das Meer und merke wie es mich beruhigt, mich in seinen Bann zieht. Ich fantasiere von Meerjungfrauen und Nixen und male mir aus was sie alles erleben könnten und geleite so in einen traumlosen Mittagsschlaf. Als ich erwache, ist es schon dämmrig und bin ganz baff, dass ich den ganzen Nachmittag verschlafen habe. Eduard begrüßt mich:

„Na Schlafmütze, bist du jetzt wach?“

„Warum hast du mich nicht geweckt? Ich werde heute Nacht kein Auge zu machen“, ist meine quengelige Antwort.

„Wie ich dich kenne, schläfst du sobald du im Bett liegst wieder ein, mach dir darüber keine Sorgen.“

Ich mache mich etwas frisch und vertrete mir auf Deck die Beine und schüttele mir dabei den Schlaf aus den Knochen. Der Sonnenuntergang erinnert mich an eine Kitschpostkarte, trotzdem genieße ich ihn und kann mich kaum daran satt sehen. Als es dunkel ist setzte ich mich mit einer Kerze vor dem Bus, Eduard leistet mir Gesellschaft, und wir unterhalten uns angeregt bis ich wieder müde werde. Ich richte unsere Betten her und schlafe trotz meiner Bedenken schnell wieder ein.

Am nächsten Morgen sind wir in Genua angekommen. Wir fahren von der Fähre und machen noch einen Abstecher in die Stadt, um danach den doch noch langen Heimweg anzutreten.


[c) 1.9.2025, Anneliese Naser